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Langsamkeit
(ist nervig und) ist eine Langzeit-Stärke.

Quartalsbericht 2 / 2022

Seit Wochen denke ich schon darüber nach, was mein Wort des zweiten Quartals sein könnte. Ich fühlte mich sogar etwas unter Druck, weil ich für meinen Quartalsbericht I ja so ein gewichtiges Wort gefunden hatte. Herrlich, wie man sich selbst Druck macht, nur damit man nach dem 2. Quartal etwas Sinnstiftendes berichten können möchte. ;-)

Die gute Nachricht ist: Ich habe ein Wort. Und der Quartalsbericht wird auch noch voll pünktlich fertig. Aber du wirst davon jetzt vermutlich nicht sonderlich beeindruckt sein.

Blog-Artikel: Quartalsbericht 2 2022 – Langsamkeit.

Hallo, ich bin Annika, selbstständige Designerin und ich unterstütze Selbstständige dabei, sich online und offline sichtbar zu machen. Am liebsten mit einer stabilen visuellen Basis ohne irgendwie oberflächlich auf eine Werbetrommel einzuhämmern.

Designerin für Selbstständige, zum Beispiel für deine Website

Das charakteristische Wort meines zweiten Quartals

Langsamkeit

Klingt schon etwas unspektakulär und fast langweilig, oder? Und auch wieder so ein bisschen beschwerlich…

Oder du denkst, jetzt kommt einer von diesen Achtsamkeits-Berichten.
So von wegen »einfach bewusster und achtsamer durch den Alltag gehen.«
Was auch ok wäre, aber darauf möchte ich mit dem Begriff Langsamkeit nicht hinaus.

Das Verwirrende ist.
Mein 2. Quartal ging gefühlt ziemlich schnell rum. Also gar nicht langsam. Ich bin gerade noch etwas verdutzt, weil ich mir das irgendwie anders – eben viel sinnstiftender – vorgestellt hatte. Es gibt kaum so richtige Meilensteine und neue Entwicklungen. Und Schwups sind einfach mal drei Monate rum.

Öhm, aber ich wollte doch eigentlich trotzdem noch so viel schaffen…

Rückblick auf mein 2. Quartal

Ich habe im zweiten Quartal konsequent Neukunden auf Ende/Mitte August vertröstet. Die Buchungspause hatte ich zum Ende von Quartal 1 beschlossen. Mehr dazu im Quartalsbericht I.

Ein schlechtes Gewissen hatte ich zwar zwischendurch trotzdem (weil die Anfragen doch eigentlich toll waren und ich auch nicht undankbar sein möchte). Aber obwohl ich Anfragende vertröstet habe, ist ehrlicherweise gar nichts Furchtbares passiert. Im Gegenteil, ich habe schon neue Projekte für Mitte/Ende August, die trotzdem dann gern mit mir arbeiten möchten. Na gut, vermutlich haben auch ein, zwei Interessierte nicht angefragt. Das kann ich natürlich nicht wissen.

Ich habe also im zweiten Quartal einfach normal und insgesamt etwas weniger und langsamer gearbeitet. Und zwar nicht ganz so wie sonst mit dem selbstlistigen Anspruch, das langsamere Tempo später dann doch schnell wieder aufzuholen / aufholen zu müssen.
Die Feiertagsbrücken haben (fast) keinen Frust erzeugt. Sonst war das nämlich immer frustig, weil mein Mann als Angestellter quasi verpflichtend Urlaubstage hat, wenn Feiertagsbrücken sind, während ich die letzten Jahre fast immer gearbeitet habe / oder arbeiten ›musste‹, weil es so viel zu tun gab.

Mir ist dabei auch mal wieder aufgefallen, dass gedrosseltes Tempo eben auch WIRKLICH dazu führt, dass man langsamer vorwärts kommt. Klingt ja eigentlich logisch. Aber das wirklich zu akzeptieren, ist gar nicht mal so selbstverständlich. Denn insgeheim denke ich oft eher sowas wie:

»Ja, ja, langsamer machen.
ABER irgendwie trotzdem alles noch super gut schaffen.«

Den inneren Spätzünder kompensieren.

Ich würde mich tatsächlich in diversen Lebenslagen eher als Spätzünderin bezeichnen. Langsames Vorwärtskommen, das kompensiert werden möchte, begleitet mich persönlich irgendwie schon lange. Und das soll jetzt nicht einfach als ›sympathische Schwäche‹ gemeint sein. Das habe ich bisher schon eher als Einschränkung wahrgenommen.

In meiner Wahrnehmung brauche ich einfach oft etwas länger (zumindest ist das oft mein Eindruck). Und ich schummle mich gern möglichst unauffällig durch die typischen Lebensstationen und -phasen. Gerne so, dass es am besten keiner so richtig mitbekommt. Gern etwas später als die meisten anderen. ;-) Erstmal in Ruhe gucken. Abwarten. Beobachten. Andere wirken im subjektiven Vergleich schneller, erwachsener, zielstrebiger, ehrgeiziger.

Meine Selbstständigkeit hat sich auch recht langsam zum heutigen Zustand hin entwickelt. Oft mit längeren Aufenthalten in Komfortzonen, bis es dann endlich mal wieder ein bisschen vorwärts ging. Lies dazu auch meinen Artikel Was mein früheres Ich nicht von mir wissen will.

Meine (merkwürdige) Erkenntnis.

Im Austausch mit anderen und in der Beobachtung von anderen Selbstständigen ist mir jetzt etwas aufgefallen, was auf den ersten Blick vielleicht sehr selbstverständlich und sogar etwas merkwürdig klingt:

Ich bin immer noch da.

Ich mag ja nicht die schnellste und zielstrebigste Person sein, die ständig ihr Business ›auf das nächste Level‹ hievt.

Aber ich gehe in meinen langsamen Schritten gemächlich am Fahrbahnrand immer weiter. Und die Richtung ist ehrlich gesagt auch mittlerweile ganz prima. Ich komme vorwärts. Und selbst wenn es mal langsam ist, ich habe immer noch Puste (auch nach den mittlerweile über 12 Jahren… ).

Und offenbar ist diese Art von Langsamkeit wirklich eine Stärke.

Oder ich kann es jetzt zumindest als Stärke sehen.

Vielleicht auch, weil ich jetzt schon richtig viel Weg sehe, den ich mittlerweile (im gefühlten Schneckentempo) geschafft habe.

Denn viele Selbstständigkeiten da draußen enden ja auch nach einigen Jahren wieder. Auch wenn man das außenstehend oft gar nicht so mitbekommt. Vielleicht weil es einfach nicht schnell genug erfolgreich genug wurde. Weil die Erwartungen vielleicht höher / zu hoch waren. Weil es falsche Vorstellungen gab. Und Frust und Unsicherheit. Weil die Ressourcen knapp (Zeit, Geld, etc.) und Rahmenbedingungen schwierig waren. Oder weil es einfach nicht so gepasst hat.

Und das finde ich übrigens auch total ok, eine Selbstständigkeit wieder zu beenden und sich umzuorientieren. Aber es gibt auch Erwartungen und Vorstellungen im Außen, die vielleicht eher dazu beitragen, dass Selbstständigkeiten sich nicht gut anfühlen, wieder verschwinden – oder sagen wir sogar, scheitern.

Zum Beispiel, wenn in der Onlinemarketing-Welt und einer Persönlichkeitsentwicklungs-Bubble ständig gewisse Weisheiten runtergebetet werden:

  • Dass man ja eigentlich nur so richtig wollen muss.
  • Dass man einfach das richtige Mindset braucht.
  • Die richtige Morgen-Routine. Das richtige Coaching.
  • Dass man nur so richtig krass in sich selbst investieren muss.

Weiterentwicklung im Business und Persönlichkeitsentwicklung haben ihre Berechtigung (sofern es seriös und mit Substanz gefüllt ist). Und ich bin total dankbar, dass ich selbst auf so viel Erfahrungen und Wissen von anderen zugreifen darf. Ich würde sogar sagen, ich bin darauf angewiesen, dass ich Zugang zu Erfahrungen und Blickwinkeln von anderen Selbstständigkeiten und smarten UnternehmerInnen habe. Und ja, ich habe auch schon ›in mich investiert‹. ;-)

Aber es kann in Summe auch Druck machen, der unterschwellig immer ein klein wenig unzufrieden macht. Druck, der dazu führt, dass man im Vergleich irgendwie nie so performant wirkt wie andere. Höher, schneller, weiter.

  • Ehrgeizige Ziele setzen und eine krasse Jahresplanung machen.
  • Täglich (online) präsent sein, etwas mit Mehrwert posten, Aufmerksamkeit generieren.
  • Sein ›Branding‹ entwickeln, sich selbst als Marke aufbauen, nebenbei zur (glücklichen) Marketing-Expertin werden.
  • Ein Herzens-Business aufbauen, das nach Konfetti-Regen aussieht.
  • Nur noch Wunschkunden anziehen, die perfekt zu einem passen
    (Was ist eigentlich mit den ganzen realen Menschen, die irgendwo dazwischen liegen?).
  • Jeden Tag mit Leidenschaft für sein Business brennen.

Dann wird es (fast automatisch) sechsstellig ;-) Wohooo.
Und was wenn nicht?
Ist dann irgendwas verkehrt?

Wie viele Nullen waren das noch mal...

Spoiler: Bei mir ist nichts sechsstellig.

Ich muss sogar jedes Mal überlegen, wie viele Nullen Sechsstellig jetzt noch mal gleich waren, wenn ich den Begriff wieder irgendwo höre.

Nicht falsch verstehen:
Wirtschaftlich stabil zu sein und zum Beispiel eine ordentliche Altersvorsorge aufzubauen etc. finde ich enorm wichtig und erstrebenswert. Und finanzielle Absicherung und sich etwas leisten können (oder eben nicht) ist als Überlegung ehrlicherweise durchaus oft in meinem Kopf.

Und ich möchte auch nicht ausschließen, hier öffentlich zu feiern, falls ich so eine sechsstellige Zahl jemals erreichen sollte. Dann verlinke ich an dieser Stelle auf jeden Fall den Blog-Artikel. ;-)

Aber ich muss mich auch nicht schlecht fühlen, nur weil dieses Jahr vielleicht kein neuer Rekord bei den Einkünften aufgestellt wird oder weil mein Jahreseinkommen im imaginären Vergleich (mit wem auch immer) vielleicht nicht so beeindruckend ist. Ich muss mich auch nicht schlecht fühlen, wenn ich den Kurs korrigiere oder verlangsame und die ehrgeizige Jahresplanung dann mit der Realität doch (noch) nicht so hinhaut.

Im Zweifelsfall einfach langsam weiterlaufen.

Im Zweifelsfall laufe ich einfach langsam (aber stetig) am Rand weiter.
Nicht mit Scheuklappen, wohlgemerkt. Sondern aufmerksam.
Ich lerne andauernd, mache Fehler und sammle Erfahrungen.
Aber es hat sich jetzt so nach und nach ein gesunder Trotz eingestellt.
Dann bin ich eben langsam. Ich komme aber vorwärts.

Wenigstens bin ich nicht irgendwo auf dem Seitenstreifen ›liegengeblieben‹.
Oder schnaufe völlig aus der Puste irgendwo mit hochrotem Kopf herum.
Obwohl, ehrlicherweise kommt das bestimmt auch wieder vor, wenn es im Herbst wieder etwas temporeicher zugeht. ;-)

Was ist Langsamkeit in deiner Selbstständigkeit.

Und jetzt zu dir.
Ich habe keine Ahnung, was du hiervon gebrauchen kannst. Ob du überhaupt mit Langsamkeit als Begriff gerade etwas für deine Selbstständigkeit anfangen kannst. Und ich möchte auch kein Ratgeber sein. Ich kenne dich und deine Situation ja gar nicht.

Aber das Thema ›Höher, schneller, weiter‹ kannst du dir vielleicht auch mal vorknöpfen und in deiner Selbstständigkeit das Tempo und die Erwartungen hinterfragen. Ich könnte mir nämlich vorstellen, dass du Druck als Gefühl und auch Geschwindigkeit als Überforderung recht gut kennst und sich das nicht immer so super anfühlt.

Langsamkeit. Harmloses Defizit und unspektakuläre Stärke.

Langsamkeit kann nervig und frustrierend sein – und gleichzeitig über die Zeit gesehen auch eine Stärke sein.
Vor allem eine unspektakuläre Stärke, die oftmals keiner so richtig bemerkt, weil so ein Begriff ja eigentlich höchstens als harmloses Defizit taugt.

Immer noch da zu sein, IST in jedem Fall ein Erfolg!
Und vielleicht ist gerade die Langsamkeit das, was das möglich gemacht hat.

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