Blog

Was mein früheres Ich nicht von mir wissen will.

In letzter Zeit habe ich einige Podcast-Folgen und Beiträge zu der Frage gehört ›Was ich meinem früheren Ich gerne für Ratschläge geben würde.‹ Dabei geht es oft um den verständlichen Wunsch, dass man gerade zu Beginn der eigenen Selbstständigkeit gern bestimmte Dinge gewusst hätte, um manche Fehler eben nicht machen zu müssen.

Und diese Vorstellung, seinem früheren Ich Fehler zu ersparen, möchte ich heute mal ganz frech in Frage stellen. Zumindest was mich und meine eigene Entwicklung betrifft.

Blog-Artikel: Wenn deine Website noch unfertig herumliegt.

Hallo, ich bin Annika, selbstständige Designerin und ich unterstütze Selbstständige dabei, sich online und offline sichtbar zu machen. Am liebsten ohne oberflächliches Werbegetrommel sondern mit einer stabilen visuellen Basis.

Designerin für Selbstständige, zum Beispiel für deine Website

Kann man ›dumme‹ (Anfänger-)fehler überhaupt vermeiden?

Rückblickend können wir alle wohl einige Fehler identifizieren, die wir in unserer Selbstständigkeit gemacht haben. Und wir können einige dieser Fehler bestimmt auch in die Kategorie ›dumm‹, ›naiv‹ und ›unnötig‹ einsortieren.

Und es ist sicher sehr löblich, wenn Selbstständige offen darüber sprechen, was nicht so gut gelaufen ist, um anderen Selbstständigen zu helfen, diese (Anfänger-)Fehler eben nicht zu machen. Und dafür gibt es online reichlich Input in Form von Podcasts, Newslettern, eBooks, Webinaren etc., die dazu da sind, Selbstständigen zu helfen, sich eine ordentliche Basis und Wissen aufzubauen, um erfolgreich selbstständig zu sein.

Und ich finde es großartig, dass es dieses geteilte Wissen gibt. Und ich habe bestimmt auch schon jede Menge Wissen konsumiert, was dann dazu beigetragen hat, dass ich einige Fehler nicht oder nicht so lange und intensiv gemacht habe.

Die meisten Fehler hätte ich trotzdem gemacht.

Ich hätte die meisten Fehler aber trotzdem gemacht.

Aber jedes Mal, wenn ich dieses ›Was ich gern früher gewusst hätte‹ höre, werde ich auch stutzig. Weil ich ahne, dass ich die meisten Fehler meiner Selbstständigkeit trotzdem gemacht hätte. Ich hätte sie trotzdem gemacht, auch wenn mir mein Ich aus der Zukunft oder jemand anderes mit mehr Erfahrung mir einen ehrlichen, gutgemeinten Ratschlag erteilt hätte. Ich hätte nicht auf mich selbst gehört. Ich hätte zwar genickt und hätte vielleicht auch die Absicht gehabt, auf den Rat zu hören. Aber ich hätte es nicht wirklich gemacht.

Weil ich selbst die Erfahrung des zukünftigen Fehlers noch nicht als Bestätigung gehabt hätte. Weil ich theoretisch zwar nachvollzogen hätte, dass an dem Ratschlag vermutlich etwas dran ist. Aber ich hätte aus meiner damaligen Perspektive nicht wirklich verstanden, was denn daran jetzt so relevant für mich ist. Vielleicht hätte ich sogar innerlich in Frage gestellt, ob der Rat denn eigentlich so Sinn macht. Schließlich wäre meine Sichtweise eine andere gewesen.

Vielleicht hätte ich es abgetan und gedacht, ja, das mag schon sein, aber auf mich trifft das doch jetzt gerade gar nicht zu. Was soll mir dieser Ratschlag sagen? Ist doch gerade alles ok so.

Was sind die Fehler in meiner Selbstständigkeit, die ich nicht durch Ratschläge aus der Zukunft hätte verhindern können.

Puh, jetzt wird es ein bisschen wehtun. Denn meine Selbstständigkeit hat sich am Anfang lange nicht so richtig entwickelt. Man muss dazu sagen, dass ich eigentlich eher zufällig in die Selbstständigkeit während meines Studiums hineingeraten bin und dann nach und nach gemerkt habe, dass Selbstständigkeit mein bevorzugtes Arbeitsmodell ist. Festangestellt für andere arbeiten, erschien mir da schon ziemlich unattraktiv.

Die wirkliche (Weiter-)Entwicklung meiner Selbstständigkeit startete aber erst, als ich nach einigen Jahren in eine Krise geriet. Die Krise zwang mich, mich mal wirklich mit mir und meiner Selbstständigkeit auseinanderzusetzen. Positiv formuliert habe ich da erst so richtig anzufangen, darüber nachzudenken, was ich wirklich machen will.

Vorher war ich durch glückliche Umstände einfach selbstständig, indem ich sehr viel für ein großes Unternehmen arbeitete und nebenbei einen aus heutiger Sicht putzigen Designer-Bauchladen hatte. Ich ließ mich durch die regelmäßig vorhandenen Aufträge des großen Unternehmens treiben. Ich reagierte, ich arbeitete, ich verdiente damit sogar ziemlich gut. Ich war nur nicht wirklich aktiv am Steuer meiner Selbstständigkeit.

Die Krise begann, als diese Zusammenarbeit relativ plötzlich gegen Null schrumpfte. Es gab keine richtigen Anzeichen und es lag auch nicht an einem besonderen Ereignis. Von einem Jahr auf das andere hatten sich die Zeiten einfach geändert. Und ich als Ein-Personen-Agentur war ja auch eigentlich gar nicht so richtig passgenau für die Zusammenarbeit mit einem großen Unternehmen.

Rückblickend sind Fehler meistens offensichtlich.

Und von außen betrachtet und rückblickend war mein ›Fehler‹, mich lange Zeit ziemlich abhängig von einem Unternehmen zu machen, total offensichtlich. Wenn ich ehrlich bin, war sogar das Wort Scheinselbstständigkeit nicht ganz von der Hand zu weisen. Obwohl ich mich sehr bemühte, nebenher immer andere kreative Projekte umzusetzen und mich schon wie eine vollwertige selbstständige Designerin fühlte.

Rückblickend sind Fehler meistens offensichtlich.

Und obwohl rückblickend diese Passivität der ersten Jahre und meine Abhängigkeit von einem großen Auftraggeber total offensichtliche Fehler sind, hätte ich einen eindringlichen Ratschlag aus der Zukunft nicht ernstgenommen. Ich hätte nicht mal auf mich selbst gehört.

Ich hätte zwar in Erwägung gezogen, mich etwas präventiver um andere Aufträge und Kunden zu bemühen und mich etwas breiter aufzustellen. Aber ich hätte es nur halbherzig ein bisschen gemacht und die Dringlichkeit nicht verstanden.

Die Dringlichkeit des Problems wäre mir damals nie in den Sinn gekommen. Ich hätte im ausgefüllten Alltag auch schlicht keine Zeit dafür gehabt (oder mir keine dafür genommen) und hätte es vor mir hergeschoben.

»Ja, darum kann ich mich ja immer noch kümmern, wenn es soweit ist.«

Die Dringlichkeit war erst da, als die Krise da war. Als der Fehler passiert war und die Konsequenz daraus spürbar war. Und diese Phase meiner Selbstständigkeit werde ich nie vergessen und will sie auch nicht missen. Auch wenn es überzogen klingt.

Ich brauchte diese Krise dringend. Ich brauchte auch dieses Gefühl von wirtschaftlicher Unsicherheit, um mich aus meiner Komfortzone herauszuwagen und um ins Handeln zu kommen. Das war natürlich in der Phase nicht besonders angenehm (aber so schlimm dann eigentlich auch nicht ;-). Aber kein theoretischer Ratschlag aus der Zukunft hätte mir diese Erfahrung ersetzen können.

Und die ganzen Dinge, die ich in und nach dieser Phase gelernt habe, habe ich vor allem deswegen gelernt, weil es eben nicht so angenehm und fluffig war.

Der Fehler hat mich erst dahin gebracht, wo ich heute bin.

Ich weiß, das klingt wie eine von diesen Lebensweisheiten. Aber zumindest bei mir selbst kann ich bei den meisten meiner signifikanten Weiterentwicklungen sagen, dass diese hauptsächlich entstanden sind, weil sich vorher etwas nicht gut angefühlt hat. Weil ich Fehler gemacht habe, die mir deutlich zeigten, dass ich das so zukünftig nicht machen möchte.

Ein Fehler war die zu lange Abhängigkeit von einem goßen Unternehmen. Diese Abhängigkeit verhinderte, dass ich aktiv meine Vermarktung vorantrieb und mich weiterentwickelte.

Das war natürlich nicht alles, wenn ich von Fehlern spreche.

Ich glaube, ich habe fast jeden typischen Anfängerfehler schon gemacht. Auch richtig peinliche Anfängerfehler, während ich noch studierte und nebenher erste Designaufträge umsetzte.

  • Als Anfänger Aufträge annehmen, ohne vorher den Preis zu verhandeln.
  • Nichts für die Steuer zurücklegen.
  • Denken, dass ich ganz toll bin, weil ich ganz gut verdiene.
  • Kunden-Feedback und überhaupt alles zu persönlich nehmen.
  • Denken, dass ich alles annehmen muss, weil ich sonst unprofessionell wirke.
  • Kunden annehmen, obwohl ich ein schlechtes Gefühl dabei hatte.

Als Anfänger Aufträge annehmen, ohne vorher den Preis zu verhandeln.

Als Anfänger Aufträge annehmen, ohne vorher den Preis zu verhandeln und es dann einfach hinnehmen, wenn der ›Kunde‹ am Ende sagt, das ist mir zu viel, das zahle ich nicht. Ich hätte mich in den Anfängen nie getraut, etwas dagegen zu sagen.
Ich war ja irgendwie auch selbst schuld, weil ich den Preis nicht am Anfang besprochen hatte. Heute muss ich echt schmunzeln, weil ich so jung, kleinlaut und naiv war.

Nichts für die Steuer zurücklegen.

Nach den ersten Jahren (die finanziell dank glücklicher Umstände schon ganz gut liefen) nichts für die Einkommens- und Gewerbesteuer zurücklegen und dann eine Nachzahlung und saftige Vorauszahlungen auf einen Schlag aufbringen müssen ist wohl auch ein ziemlicher Klassiker…

Denken, dass ich ganz toll bin, weil ich ganz gut verdiene.

Auch so eine Phase. Wenn es von alleine recht gut läuft, kommen auch so Tendenzen auf, sich nicht kritisch zu hinterfragen. Läuft doch ganz gut. Offenbar bin ich ein guter Dienstleister. ;-) Der Dunning Kruger Effekt und ein paar weitere Denkfehler lassen grüßen… Und obwohl ich eigentlich nicht zu Überheblichkeit und Selbstüberschätzung neige, gab es bei mir Phasen, in denen ich ein bisschen undankbar war und gedacht habe, ist doch alles easy.

Kunden-Feedback und überhaupt alles zu persönlich nehmen.

Das ist wohl ein klassisches Problem unter Designern oder in kreativen Berufen. Wir machen uns durch unser kreatives Schaffen auch immer ein bisschen verletzlich. Wir geben in der Regel ja doch viel Herzblut in unsere Arbeit. Auch ich war früher viel zu irritiert durch manche Art, wie Kunden kommunizierten.

Heute kann ich viel besser verstehen, dass Kunden oft eine ganz andere (nicht schlechtere) Sichtweise haben und dass sie oft auch an einem ganz anderen Punkt sind. Heute denke ich bei irritierenden Fragen, Rückmeldungen und Anforderungen eher: Ah, ach so kann man das auch verstehen und sehen. Interessant.

Und ja klar, manchmal bin ich auch heute innerlich trotzdem kurz nölig, wenn eine Anforderung oder ein Feedback kommt, das sich irgendwie doch persönlich nicht gut anfühlt. Ich bin ja kein Roboter.

Denken, dass ich alles annehmen muss, weil ich sonst unprofessionell wirke.

Ich habe früher aus heutiger Sicht merkwürdige, umständliche und unpassende Aufträge angenommen, weil ich gedacht habe, ich muss ja ein guter Dienstleister sein und Anfragen immer annehmen, wenn ich in der Lage bin, das irgendwie umzusetzen. Anders ausgedrückt: Wenn ich keine legitime Ausrede hatte, habe ich gedacht, muss ich Ja zu allem sagen.

Da waren zwar auch lehrreiche Erfahrungen dabei. Aber es gab auch Projekte, bei denen ich heute leicht das Gesicht verziehe, weil sie so gar nicht zu mir gepasst haben und auch wirtschaftlich oder inhaltlich keinen richtigen Sinn ergeben haben.

Ich konnte damals nicht wirklich Nein sagen und konnte auch noch nicht nachvollziehen, warum Nein sagen so wichtig in der Selbstständigkeit ist. Diese Einstellung hat sich erst mit wachsender Erfahrung durchgesetzt. Aber auch, weil ich durchaus von anderen Selbstständigen immer öfter hörte, dass Nein-Sagen und dieses Abbauen des ›Bauchladens‹ wichtig sind. In diesem Fall haben mich Ratschläge von außen also durchaus erreicht und ermutigt, Fehler nicht zu wiederholen.

Kunden annehmen, obwohl ich ein schlechtes Gefühl dabei hatte.

Oh ja, die Anti-Kunden. Ich vermute, jede(r) Selbstständige hat da vielleicht ein paar Erfahrungen… Das waren bei mir die Kunden, die wenig wertschätzend und nicht auf Augenhöhe mit mir umgegangen sind. Die mich runtergezogen haben und mit denen ich mich schlecht und mich ausgenutzt gefühlt habe. Kunden, die flapsige E-Mails ohne Begrüßung mit Änderungswünschen schickten, nachdem ich ihnen zwei Minuten vorher, die sorgfältigen Entwürfe zugeschickt hatte, für die ich Stunden gebraucht hatte. Kunden, die davon ausgingen, dass Bezahlung genug Wertschätzung ist und eine gute Kommunikation oder gar ein Lob überflüssig ist, solange sie dafür bezahlen.

Rückblickend weiß ich natürlich, dass ich selbst auch Fehler gemacht hatte. Nicht nur, indem ich solche Kunden angenommen hatte.

Sondern auch, weil ich selbst nicht auf Augenhöhe agiert hatte und nicht kommuniziert hatte, wie der Prozess zu laufen hat. Ich hatte nicht eingefordert, mit mir ordentlich und wertschätzend umzugehen. Wobei ich heute auch sagen kann, dass das nicht bei allen Nicht-Kunden den gewünschten Effekt hat. Es gibt auch welche, die finden das dann anmaßend, dass ich den Prozess bestimme und suchen sich jemand anderen.

Und bei diesen negativen Erfahrungen wünsche ich mir natürlich zum Teil schon, dass ich das nicht alles so gemacht hätte. Und ein bisschen hätte ich mich selbst vor diesen Fehlern zumindest zum Teil gerne bewahrt.

Praktische Erfahrungen helfen, wirklich zu kapieren, dass etwas noch nicht rund läuft.

Praktische Erfahrungen helfen, wirklich zu kapieren, dass etwas noch nicht rund läuft.

Aber ich fürchte, auch hier sind die praktischen Erfahrungen einfach so wichtig gewesen, um wirklich zu kapieren, dass etwas noch nicht rund läuft.

Gerade der letzte Fehler des Anti-Kunden ist dafür ein gutes Beispiel.

Eine sehr deutliche Erfahrung hat dafür gesorgt, dass ich ab da mein negatives Gefühl wirklich ernstgenommen habe, wenn Interessenten gleich zu Beginn wenig wertschätzend und nicht auf Augenhöhe agierten. Ich konnte mir dadurch erlauben, mein Bedürfnis nach wertschätzenden, freundlichen Kunden zu vertreten.

Und heute ist es quasi normal, dass ich mit tollen Kunden arbeite, die mich nicht von oben herab und nicht als austauschbare Erfüllungsgehilfin betrachteten.

Bauchgefühl ist für mich kein Ersatz für sachliches Abwägen sondern eine Ergänzung.

Ich bin heute übrigens keine Verfechterin davon, immer und am besten nur auf das eigene Bauchgefühl zu hören. Das wird mir aktuell in der Selbstständigkeits-Persönlichkeitsentwicklungs-Bubble zu sehr propagiert, ohne die kritischen Aspekte zu sehen.

Denn ich habe auch genug Beispiele in meiner Selbstständigkeit, wo mein Bauchgefühl zuerst skeptisch und vorsichtig ablehnend war und ich dann trotzdem erstmal geschaut habe, wohin das führt. Und oft bin ich auch positiv überrascht worden.

Wenn ich da jedes Mal direkt zugemacht hätte, weil mein Bauchgefühl sich gerade unwohl fühlt, hätte ich viele Erfahrungen nicht gemacht, die ich heute gut gebrauchen kann. Ein Bauchgefühl ist aus meiner Sicht kein Ersatz für sachliches Abwägen sondern eine Ergänzung.

Verurteile dich nicht für deine Fehler.

Manches an Fehlern aus meiner Selbstständigkeit ist mir heute noch ein bisschen peinlich. Vieles habe ich aber mittlerweile auch wirklich verarbeitet und konstruktiv umgenutzt. Ist ok, war halt so. Passiert doch jedem Selbstständigen in der einen oder anderen Weise.

Verurteile dich also nicht für Fehler, die du schon gemacht hast und die du noch machen wirst. In den meisten Fällen helfen sie dir, weiterzukommen. Auch wenn es mal ruckelt und unangenehm ist. Freu dich mit etwas zeitlichem Abstand vielleicht sogar ein bisschen darüber, wenn du kannst. Oder sieh es mit Humor, wenn möglich.

Und sprich mit anderen Selbstständigen in deinem Umfeld darüber. Vermutlich wirst du überrascht feststellen, dass Personen (von denen du das gar nicht erwartet hättest) plötzlich zu dir sagen: ›Ja, das kommt mir bekannt vor. Das ist mir auch schon passiert.‹ ;-)

Blog-Artikel, die dich auch interessieren könnten: