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Vorurteile & Wahrheiten über meine Selbstständigkeit

In meinem Beruf als selbstständige Designerin stelle ich oft fest, dass Personen aus meinem Umfeld und Kunden nicht genau wissen, was ich tue. Also versuche ich zu vermitteln, was meine Arbeit alles enthält und was den Wert meiner Arbeit ausmacht – das allein ist schon eine Herausforderung. Abgesehen davon gibt es aber auch viel Unwissenheit in meinem Umfeld über das Dasein als Selbstständige, die in einem „Home-Office“ völlig abgeschieden von sozialer Kontrolle eines Arbeitgebers und geradezu unsichtbar arbeitet.

Hier mein persönliches Best-Of an Einstellungen und Glaubenssätzen zu meiner Selbstständigkeit, die mir begegnen.

Selbstständig als Designerin – Annika Gandelheid

Hallo, ich bin Annika Gandelheid, selbstständige Designerin und ich unterstütze Existenzgründer, Selbstständige und kleine Unternehmen dabei, sich professionell und authentisch sichtbar zu machen.
Hier schreibe ich über meine Arbeit und teile auch persönliche Erlebnisse, Missgeschicke und Lernerfahrungen mit anderen Selbstständigen.

Los gehts mit den beliebtesten Aussagen:

1. „Super, du kannst zwischendurch einfach Privates erledigen.“

Wenn dies früher so oder so ähnlich geäußert wurde, habe ich oft gedacht „ja, ich bin offensichtlich ein Glückspilz und sollte mich täglich bedanken, dass ich so ein laues Leben habe“. Heute ist mir bewusst, dass dieser vermeintliche Vorzug natürlich genau so eine Kehrseite hat, die von Menschen oft ausgeblendet wird, die nicht selbstständig sind und damit keine Erfahrungen haben.

Denn, sobald ich tagsüber private Verpflichtungen oder Freizeitaktivitäten wahrnehme, fehlt mir diese Zeit für meine Arbeit und ich muss „nachsitzen“, denn schließlich habe ich auch eine sehr verbindliche Verantwortung, Projekte für meine Kunden fertigzustellen. Das heißt, meine Zeit ist genau so begrenzt wie die von anderen, auch wenn ich gefühlt manchmal mehr Freiheit habe.

2. „Du verdienst aber mit deinem Stundensatz richtig ordentlich.“

Acht Stunden am Tag am Schreibtisch multipliziert mit einem Stundensatz von 80,– Euro. Heraus kommt ein fünfstelliger Betrag pro Monat – ich bin reich!

Man ahnt es vielleicht schon, die Realität sieht ganz anders aus. Denn, die produktive Arbeitszeit, in der ich Geld verdiene, sind nur ca. 50 % eines Arbeitstages (wenn es gut läuft). Die übrige Zeit verbringe ich mit Aufgaben, die mir niemand bezahlt (Recherche, Kommunikation, Organisation, Weiterbildung, unvorhergesehene Probleme lösen, die eigene Website pflegen, diesen Text schreiben :-)).

Design als Dienstleistung wird darüber hinaus nicht immer angemessen gewertschätzt, so dass ich bei meiner Preisgestaltung oft eine imaginäre Handbremse anziehe. Außerdem sind viele meiner Kunden kleine Unternehmen, Selbstständige, Start-Ups und Vereine und haben verständlicherweise auch sehr kleine Budgets.

Das führt dazu, dass ich bei Projekten durchaus Stunden zusätzlich investiere und der Real-Stundenlohn ordentlich sinkt. Abgesehen davon ist der kreative Durchbruch nicht immer sofort da, so dass ich manchmal schlichtweg länger brauche als kalkuliert. Betriebskosten, Urlaubs- und Krankheitstage, die den Verdienst weiter dezimieren, muss ich hier hoffentlich eigentlich nicht erwähnen, tue ich aber trotzdem.

3. „Dir gehts doch gut, deine Arbeit ist wie ein nettes Hobby.“

Kreative Arbeit wirkt offenbar auf viele wie eine Art künstlerische Selbstverwirklichung, wie ein Hobby eben. Es entstehen oft keine „richtigen“ Produkte, bestenfalls Gedrucktes oder „nur“ digitale Ergebnisse. Das erscheint vielen unbewusst vielleicht als Grund dafür, dass meine Arbeit gar nicht so entscheidend ist, lediglich ein Bonus, damit es etwas netter aussieht.

Dass dies nicht so ist, wird vielen erst bewusst, wenn sie plötzlich selbst etwas Kreatives und vor allem inhaltlich Sinnvolles für ihr eigenes Business anfertigen müssen oder wollen und feststellen, wie furchtbar lange sie dafür brauchen und wie wenig zufriedenstellend das Ergebnis ist.

Ja, und konzeptionelle und inhaltliche Auseinandersetzung sind damit ausdrücklich auch gemeint. Das ist gar nicht so einfach und braucht viel Zeit – und ja, das gehört wesentlich zu meiner Arbeit und ist definitiv kein nettes Hobby nebenbei.

4. „Die Ergebnisse deiner Arbeit sind zwar ganz nett aber bringen eh keinen konkreten Erfolg.“

Ja, das kann man so sehen, der Erfolg eines guten, passenden Designs lässt sich schwer messen. Man kann nicht direkt mit dem Zustand ohne meine Arbeit vergleichen und ist meist auf sehr subjektives Feedback angewiesen.

Die Wahrnehmung von Design(-Qualität), Inhalten, Botschaften und visueller Kommunikation ist oft sehr unterschiedlich. Und ich kann tatsächlich im Voraus Auftraggebern nicht beweisen, dass meine Arbeit wirklich (so wie geplant) mehr Geld oder Gewinn bringt. Lies dazu auch meinen Artikel Design bringt nichts.

Aber trotz dieser fehlenden Messbarkeit ist meine Arbeit eigentlich immer eine Verbesserung zum vorherigen Zustand. Sichtbare Qualität, die vorher nicht da war! Ob und wie genau dann Erfolg daraus entsteht, ist aber je nach Projekt und Auftraggeber höchst verschieden und nicht nur von mir sondern von vielen weiteren Faktoren abhängig.

5. „Selbst und ständig“

Ich mag diesen Spruch überhaupt nicht mehr, denn als Glaubenssatz hat er mich früher (und manchmal heute auch noch) unter Druck gesetzt. Ja, als Selbstständige bin ich zeitlich sehr mit meiner Arbeit verbunden und muss bzw. will auch öfters sehr viel und lange arbeiten. Gerade die Themen der eigenen Weiterentwicklung lassen mich oft auch nach Feierabend nicht los. Man „lebt“ seine Arbeit und das ist auch gut so.

Andererseits impliziert dieser Spruch, dass Selbstständigkeit automatisch eine Aufopferung bedeutet. Man muss immer und ständig arbeiten, sonst scheitert man. Und dieser Glaubenssatz kann sehr gefährlich sein, wenn man seine Bedürfnisse nach Freizeit und Erholung verleugnet, weil man glaubt, das müsste so sein.

Zeit für Erholung und Abschalten sind unabdingbar! Sonst wird man früher oder später krank. Und als Selbstständiger braucht man kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man ab und zu nicht erreichbar ist oder frei hat. Dies musste ich mir allerdings selbst erst einmal beibringen.

6. „Wenn du so viel zu tun hast, läuft es ja gerade finanziell großartig.“

Wohl bei jedem Selbstständigen gibt es Phasen, in denen irgendwie alles gleichzeitig bearbeitet und fertig werden muss. Alles ist – zumindest gefühlt – gleich wichtig. Wenn diese Phase kommt, komme ich nicht drum herum, meinem Umfeld oder Neukunden schonend aber ehrlich mitzuteilen, dass neue Projekte oder private Verpflichtungen gerade etwas warten müssen.

Daraufhin höre ich als Rückmeldung oft nebenbei Aussagen wie „Das ist ja toll, du hast gut zu tun, dann läuft es ja wohl richtig gut...“

Aber neue und mehr Projekte und Kunden bedeuten nicht automatisch mehr Verdienst. Denn zu viel Arbeit auf einmal behindert sich gegenseitig, weil man ständig hin- und her switchen muss und sich außerdem auch noch in neue Themen erst einarbeiten muss – das kostet zusätzliche Zeit. Dann gibt es auch noch zumindest bei mir die Projekte, die zwar Spaß machen und sinnvoll sind, aber kaum Geld bringen. Wenn die dann ausgerechnet gleichzeitig mit allen anderen Aufgaben anstehen, kollidiert das natürlich umso mehr und ich befinde mich im berühmten Hamsterrad, das nicht unbedingt sehr wirtschaftlich läuft.

An solchen Ungleichgewichten arbeite ich zwar zugunsten der Wirtschaftlichkeit, aber wenn ich gerade richtig ranklotze, klimpert eben nicht automatisch ein Geldregen im Hintergrund.

7. „Zeitnot und Stress gehören zur Selbstständigkeit einfach dazu.“

Wer ständig davon spricht, wie viel er oder sie um die Ohren hat, ist wichtig und hat Erfolg! Gerade für Selbstständige scheint es ein Zustand zu sein, den Außenstehende gerne als Normalität oder sogar als Muss annehmen. Als Selbstständiger ist man immer eingespannt, gestresst und im Zweifelsfall hat man gerade irgendein nerviges Problem an der Backe! Bloß nicht zu glücklich und entspannt rüberkommen, sonst denken die Leute noch, man hätte ein laues Arbeitsleben und sogar Freizeit. Dann müsste man ein schlechtes Gewissen haben, weil man sich offenbar zu wenig anstrengt.

Also lieber etwas mehr raushängen lassen, wie anstrengend der eigene Alltag doch ist, wie nervig die Kunden und die Umstände doch sind. Damit ist man nie alleine, erntet Mitgefühl und wähnt sich der Anerkennung anderer sicher. So habe ich mich und meine Arbeit früher unbewusst oft nach außen dargestellt, natürlich auch oft zu Recht, weil ich mit meiner Arbeit und den Umständen tatsächlich unzufrieden war und es dauernd Herausforderungen und Stress-Phasen gibt, die mich sehr beschäftigt haben.

Ich wollte aber auch auf keinen Fall, dass jemand denkt, mir könnte es zu gut gehen. Weil ich geglaubt habe, als Selbstständiger muss man einfach ein bisschen leiden, das gehört dazu. Ja, das ist Schwachsinn, veranschaulicht aber, dass ich selbst Vorurteile über eine erfolgreiche Selbstständigkeit im Kopf hatte.

Mein persönliches Fazit

Die Vorurteile der anderen stecken auch in meinem Kopf.

Gerade der letzte Punkt zeigt, dass es nicht immer „die anderen“ sind, die Glaubenssätze und Vorurteile bedienen, sondern auch man selbst! Und oft steckt hinter solchen Einstellungen keine böse Absicht, man übernimmt sie schlicht aus seinem Umfeld bzw. der Gesellschaft und trägt diese mangels Wissen und Reflektion weiter.

Selbstständigkeit ist etwas sehr Persönliches, woraus man viel lernen kann. Ich habe gelernt Glaubenssätze zu hinterfragen, selbstbewusster und gelassener damit umzugehen und dabei immer bei mir selbst anzufangen. Das kann ich jedem, der in irgendeiner Form selbstständig arbeitet, nur empfehlen. Macht euer eigenes Ding und schafft eure eigenen, für euch passenden Rahmenbedingungen.

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