Blog – hinter den Kulissen der Selbstständigkeit

Kunden nerven und ihnen ein schlechtes Gewissen machen

Muss das so sein?

Eine negative Erfahrung aus der Vergangenheit hat mich dazu veranlasst, mich mit der Frage zu beschäftigen, wie man eigentlich Kundenbeziehungen pflegt und was man vielleicht besser lassen sollte, weil es nach hinten losgeht. Im Alltag habe ich schon manche negative Erfahrungen gesammelt, die mich mittlerweile etwas trotzig aber auch selbstkritisch dazu veranlassen, zu fragen: Warum muss das so sein, warum geht das eigentlich nicht besser, so dass alle sich dabei wohl fühlen!

Hallo, ich bin Annika Gandelheid, selbstständige Designerin und ich unterstütze Existenzgründer, Selbstständige und kleine Unternehmen dabei, sich professionell und authentisch sichtbar zu machen.
Hier schreibe ich über meine Arbeit und teile auch persönliche Erlebnisse, Missgeschicke und Lernerfahrungen mit anderen Selbstständigen.

 
Mein Erlebnis

Gut gemeinter Kundenservice mit negativem Beigeschmack

Ich hatte vor einiger Zeit ein Kundenkonto bei einem Onlineshop für Druckprodukte. Der Shop war sehr modern und das Drumherum gefiel mir. Aber bei diesem Anbieter war man offenbar darauf ausgerichtet, den Nutzern einen ›besonderen Service‹ zu bieten, indem ab und zu ein Mitarbeiter bei mir als Kundin anrief, um sich zu erkundigen, ob ich denn nicht mal wieder einen Druckauftrag für sie hätte oder ob ich in der Vergangenheit etwa nicht zufrieden gewesen war.
Mir wurde also am Telefon erst einmal das Offensichtliche mitgeteilt, nämlich, dass ich lange nichts bestellt hatte. Die Frage nach der Zufriedenheit war zwar gut gemeint aber auch sehr direkt. Denn sie zwang mich in die Rolle der Kritikgeberin und das auch noch völlig überrumpelnd am Telefon.
Bei diesen Anrufen fühlte ich mich unwohl, fast ertappt und druckste dann merkwürdig herum und versuchte mich höflich aus dem Gespräch herauszuwinden. Ich bekam dabei außerdem ein schlechtes Gewissen, weil ich dem Mitarbeiter am Telefon nichts Positives zurückmelden konnte. Gleichzeitig fühlte ich mich als ›kleine Selbstständige‹ aber auch ein bisschen erfolglos, weil ich offensichtlich nicht haufenweise tolle Projekte durch deren Druckmaschinen jagen konnte. Nach diesen Anrufen dachte ich sogar kurz darüber nach, ob ich denn nicht doch einen passenden Auftrag hatte, damit sich das Telefonat beim nächsten Mal nicht so unangenehm anfühlen würde und um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Und das, obwohl ich eigentlich nichts bestellen wollte – wie bescheuert ist das denn bitte. Manche kennen diesen Effekt vielleicht aus dem Privatleben, wenn ein Vertreter, ein Sammler für wohltätige Zwecke oder der Tiefkühlhändler vor der Tür stehen und man irgendetwas kauft oder abschließt, nur um ein schlechtes Gewissen zu vermeiden.
Man kann an dieser Stelle bereits erkennen, dass die Emotionen, die der Anruf bei mir auslöste, ganz und gar nicht zum eigentlichen Sinn und Zweck passten, nämlich, mir einen tollen, persönlichen Service zu bieten und mich als Kundin an sich zu binden.

Aus Kundensicht

Eigentlich möchte ich bei einem solchen Anbieter erst einmal nur ein ganz normaler Kunde im System sein und die komfortable Möglichkeit haben, Sachen zu bestellen. Ich möchte nicht das Gefühl haben, unter Druck zu stehen, dort etwas zu bestellen oder mich rechtfertigen zu müssen, wenn ich länger nichts bestellt habe. Das ist unangenehm und alles, was sich unangenehm anfühlt, vermeiden wir ja eigentlich gerne. Ein solch gut gemeinter ›Service‹ führt dazu, dass ich irgendwann förmlich gezwungen werde, offen zu sagen, ja, ich war mit euch nicht mega-super-zufrieden, und ja, ich bestelle auch bei anderen Anbietern, weil die günstiger, praktischer und vielleicht weniger penetrant sind als ihr! Wer sagt schon gerne so offen am Telefon, dass er andere Dienstleister bevorzugt.
Auch wenn ich mich hier wiederhole: Alles was ich beschreibe, sind unangenehme Gefühle. Überrumpelung, Druck, schlechtes Gewissen, Gefühl von Erfolglosigkeit, sich gedrängt fühlen, sich genötigt fühlen, Kritik zu äußern. Da kommt kein bisschen das gewünschte Gefühl nach dem Motto auf: »Oh wie schön, dass die ab und zu anrufen und nachfragen, die bemühen sich ja richtig um mich!«.

Die unangenehme Konsequenz

Nach einigen Anrufen und zusätzlichen E-Mails sah ich mich gezwungen, mein Unwohlsein dem Anrufer gegenüber ansatzweise offen zu zeigen – schließlich wollte ich vermeiden, dass es für alle Zeiten so weiterging – und natürlich bin ich dem Anrufer dabei etwas ›auf den Schlips getreten‹ und hatte hinterher natürlich wieder ein schlechtes Gewissen. Dass der Service-Mitarbeiter mein Unwohlsein nicht direkt nachvollziehen konnte, lag wahrscheinlich daran, dass seine Aktivitäten ja auf den ersten Blick wirklich etwas Wohlwollendes an sich hatten. Außerdem bekam er laut seiner Aussage von anderen Kunden die Rückmeldung, dass diese den telefonischen und persönlichen Service gut fanden. Offenbar war nur ich nicht in der Lage, die Anrufe als tollen Service wertzuschätzen. Das Gespräch endete damit, dass ich trotzdem darum bat, diese Anrufe zukünftig zu unterlassen. Im Anschluss an dieses Gespräch habe ich noch viel darüber nachgedacht, was da in der Kommunikation eigentlich schief gelaufen ist – und ob das Unwohlsein nur an mir liegt.
Es gibt sicher viele Menschen, die das Angerufenwerden aus Verkaufs- und Marketinggründen als normales Übel im Arbeitsalltag wahrnehmen. Diese reagieren gekonnt und locker mit höflichen, freundlichen Floskeln und haken das Telefonat dann einfach ab. Ich höre förmlich schon die Aussagen meines Umfeldes: »So ist das eben«, »Solche Anrufe gehören einfach dazu«, »Nimm das doch nicht so genau«. Aber ich stelle für mich ganz persönlich immer wieder fest, dass es gerade dieses ›Genaunehmen‹ ist, das mir bei meiner Arbeit und Weiterentwicklung enorm hilft. Denn, auch wenn ich vielleicht besonders feine Antennen dafür habe, geht es doch ganz vielen anderen Menschen in solchen Situationen ähnlich, nur ist es ihnen vielleicht nicht so bewusst oder sie trauen sich nicht, ihr Unwohlsein zu äußern. Und vor allem muss es doch bessere Wege geben, wie man mit Kunden Kontakt hält und die Beziehung pflegt. Wege, bei denen sich keiner unwohl fühlen muss.

Geht das auch anders?

Also habe ich überlegt, wie ich gerne kontaktiert werden würde, wenn es denn unbedingt ab und zu sein muss. Was ich als Kunde zum Beispiel sehr schätze, ist Unterstützung bei Problemen und Serviceleistungen, während gerade ein Auftrag oder eine Zusammenarbeit stattfindet. Denn das hilft mir konkret weiter und ich bin dann sehr dankbar für einen persönlichen Ansprechpartner.
Wenn mich ein Dienstleister zusätzlich zwischendurch ohne speziellen Anlass kontaktieren möchte, wäre es doch denkbar, mir telefonisch wertschätzend mitzuteilen, dass man bemerkt hat, dass man länger nichts von mir gehört hat und dass man mir darum einen Gutschein-Code/Rabatt-Code zukommen lässt, damit ich bei Bedarf einen kleinen Anreiz habe, etwas zu bestellen. Punkt. Kein unangenehmes Nachfragen und Erzeugen von Erklärungsnot. Einfach ein nettes Angebot machen und den Kunden dann sofort wieder in Ruhe lassen und nicht in eine Rechtfertigung zwingen. Alternativ könnte man auch auf eine neue Dienstleistung, ein neues Produkt oder ein besonderes Angebot hinweisen und mich darüber informieren, dass es das jetzt aktuell gibt und falls ich Interesse daran habe, könnte ich mich gerne direkt auf der Website näher informieren.
In dieser Version kann ich im Gespräch angenehm auf die Situation reagieren und kann mich ebenfalls wertschätzend äußern, indem ich mich für das nette Angebot bzw. die Information bedanke. So serviert mir der Anrufer direkt eine gute Option, das Gespräch zu einem positiven Abschluss zu bringen, auch der Anrufer kann das Gespräch erfolgreich abschließen. Keine negativen Gefühle, kein unterschwelliger Reaktionszwang, kein schlechtes Gewissen.
Nun bin ich keine selbsternannte Expertin in Sachen Kundenservice und Kundenkommunikation. Im Gegenteil. Ich selbst muss intensiv daran arbeiten und mich weiterentwickeln. Aber diese Erfahrung hat mir geholfen, mich zu fragen, was ich für meine Kundenbeziehungen daraus ableiten kann, auch wenn der Kontext bei meiner Arbeit als Designerin ein etwas anderer ist.

Meine wichtigsten Erkenntnisse

1. Nichts ist schlimmer, als bei Kunden unangenehme Gefühle zu erzeugen.

Wenn das öfters passiert, sucht man sich nämlich bei sich bietender Gelegenheit einen anderen Dienstleister, bei dem man sich im Zweifelsfall wohler fühlt.

2. Immer in die Kundensicht hineinversetzen.

Was braucht der Kunde, was kann ich ihm anbieten? Was kann ich tun, damit der Kunde mich jetzt nicht als lästig sondern als hilfreich wahrnimmt. Ich überlege, bei meinen Bestandskunden zum Beispiel ab und zu, ob es etwas gibt, dass ich ihnen als Bonus, Hilfe oder Info zukommen lassen kann oder ob ich sie an etwas erinnern kann, zum Beispiel, wenn auf der Website etwas aktualisiert werden müsste.

3. Das Gespräch so gestalten, dass es für beide Seiten ein Gewinn ist.

Wenn ich bei Kunden wegen irgendetwas nachhake, entsteht schnell der Eindruck, dass ich etwas vom Kunden will oder er mir etwas geben soll. Das kann unterschwellig nervig sein und Druck erzeugen, denn meine Kunden haben in der Regel viel zu wenig Zeit und nur begrenzte Aufmerksamkeit für die Zusammenarbeit übrig. Viel angenehmer ist es, wenn ich bei Rückfragen oder Bitten um Mitwirkung auch etwas geben kann oder einen Fortschritt mitteilen kann.

Das bedeutet übrigens nicht, dass ich mich bei Kunden anbiedern muss, sondern nur, dass ich auf ihre Bedürfnisse achte und versuche, die Kommunikation für beide Seiten möglichst angenehm und entspannt zu gestalten.

Das Ende der Geschichte

Um zur Überschrift dieses Artikels zurückzukehren, ob solche Strategien der Kundenbindung, bei denen man aus einem schlechten Gewissen und eher unangenehmen Gefühlen heraus handelt, eigentlich grundsätzlich eine Option sein können?
Im Endeffekt haben die Anrufe nach der etwas holperigen Intervention meinerseits aufgehört und ich hatte meine Ruhe. Allerdings habe ich mein Kundenkonto irgendwann gelöscht, weil ich meine veraltete Stamm-E-Mail-Adresse dort nicht ändern konnte und ein neues Konto hätte anlegen müssen. Aufgrund der Vorgeschichte habe ich mir die Mühe erst einmal erspart, um mich später bei Bedarf wieder neu anzumelden. Man ahnt es vielleicht, es ist bis heute nicht passiert. Und das ist auch meine persönliche Antwort auf die Frage, ob solche Strategien zur Kundenpflege, eine gute Idee sind.

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